21. Juni 2020
Fotos & Text: Copyright by Petra Clamer

Entfernte Verwandte.

All die knuffigen Tierchen, die sich hier auf meinen Fotos tummeln, wohnen freiwillig nur auf Madagaskar und sind weit entfernte Verwandte. Uns trennen etwa 8.500 Kilometer und rund 55 Millionen Jahre. Damals gabelte sich die evolutionäre Laufbahn der Primaten. Es entstanden zwei Äste: Feuchtnasen-Primaten und Trockennasen-Primaten. Zugegeben, schon lange her. Aber spielen bei Verwandten Zeit und Raum wirklich eine Rolle? Sind Nähe und Verbundenheit nur die Folge einer engen Verwandtschaft?

Wir leben in dem Bewusstsein, dass es Menschen und Tiere gibt. Doch wir sind ja auch nur ein Tier, eben ein Primat. Alle Tiere, ob Wale, Affen, Löwen, Eisbären, Chamäleons oder Spinnen hätten daher das gleiche Recht von sich zu behaupten: Es gibt uns und Tiere. Wer weiß, vielleicht machen sie’s ja auch… 

Die Tierwelt hat sich mehr oder minder gütlich darauf geeinigt, dass man sich gleichberechtigt Lebensräume teilt oder erfindungsreich eigene Nischen findet, um erfolgreich zu (über)leben. Und da man das Prinzip „leben und leben lassen“ ja in die evolutionäre Wiege gelegt bekommen hat, wird das ausgewogene Verhältnis auch dann gewahrt, wenn man andere als Nahrungsquelle braucht. Sonst würde man ja verhungern. Nur ein Tier hat sich diesem ausgeglichenen Gemeinsinn und -wohl widersetzt: der heutige Primat Homo sapiens.  

Primaten wie wir.
 
Doch zurück zu unseren Verwandten auf Madagaskar: den Lemuren. Mittlerweile kennt man rund 100 Arten. Wobei das Wort „kennen“ nicht meint, dass man viel über sie weiß. Im Gegenteil: Wir wissen recht wenig. Auf jeden Fall sind Lemuren keine Affen, auch keine Halbaffen. Da sind wir deutlich näher dran. 
Wer das Glück hat, Lemuren in ihrem Zuhause zu besuchen, sollte ihnen mit Muße begegnen. Wer sich die Zeit nimmt, sie nicht nur als tierische Trophäe zu fotografieren, sondern sie zu beobachten, der wird sich diesen entfernten Verwandten sehr nahe fühlen. Versprochen! Häufig sehen Lemuren aus wie Teddys (auch nicht die schlechteste Verwandtschaft). Bei jedem Zusammentreffen wurde mein Gefühl zu ihnen inniger. Je länger ich ihrem Tun und Lassen zusah, desto winziger erschienen mir 55 Millionen Jahre. Denn sie verhalten sich in vielen Dingen ausgesprochen menschlich. Wobei „primatisch“ vielleicht besser ausgedrückt wäre. 

Manche Lemuren reiben die Nasen aneinander, wenn sie sich nach längerer Zeit wieder sehen. Einige strecken einander zur liebevollen Begrüßung die Zunge raus. Mütter, die ihr Baby an einen Raubvogel verloren haben, ziehen sich zurück und trauern. Lange und ausgiebig. Doch spätestens wenn Lemuren ein Sonnenbad nehmen, versteht man, warum Homo sapiens den Liegestuhl erfand. Denn da hinein gefläzt sehen wir ihnen zum Verwechseln ähnlich. 
Lemuren sind Primaten wie wir. Sie gehören zu den Feuchtnasen. Wir zu den Trockennasen. Außer bei Schnupfen. Der größte Unterschied zwischen Lemuren und Menschen ist für mich ein tragischer: Sie werden immer weniger. Wir immer mehr. Wir sägen an ihrem (Primaten-)Ast auf dem sie so gerne sitzen, sich sonnen, spielen und leben. 

So geht man auf „gut primatisch“ nicht einmal mit Feinden um. Schon garnicht mit Verwandten. Oder sehe ich das falsch?
Fotos & Text: Copyright by Petra Clamer. 

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