Petra – nein, nicht ich.
Angereichert mit Wissen aus Büchern, Grabungsberichten, historischen Quellen und Dokumentationen sowie ergriffen von der Schönheit vielfach bestaunter Fotos, wollte ich unbedingt nach Petra, der Hauptstadt der Nabatäer. Der Ort, der vor über 2.500 Jahren begann, sich zwischen Felsen einzunisten und sich gemütlich einzurichten, trug ja sogar meinen Namen! Noch ein Grund mehr ihn zu besuchen.
Umgeben von Bergen, gekonnt versteckt hinter Felsen, erlebte Petra das bunte Treiben von rund 40.000 Bewohnern vor bunten Natursteintapeten. Das Kostbarste und Luxuriöseste, was es in dieser Gegend gab, war Wasser. Die Nabatäer wurden daher zu den großartigsten Meistern über Wasser und Stein. Sie bauten nicht mit, sondern in den Stein hinein. Sie meißelten mehrstöckige, prächtige Gebäude aus den Felsen heraus – wie Bildhauer ihre Skulpturen. Man planschte in Badewannen mit Panoramasicht, vergnügte sich in und an Swimmingpools und war umgeben von üppigen Grünanlagen. Und das in einer der unwirtlichsten Gegenden Jordaniens. Eine echte Oase – von außergewöhnlichen Menschen erschaffen.
Irgendwann gab es das belebte und bewohnte Petra nicht mehr. Petra war den Blicken der Welt so verborgen, dass sie von der Zeit vergessen wurde, ähnlich wie die Erbauer von der Geschichte. Doch ich verliere mich in melancholischer Bewunderung. Ich wollte ja von mir schreiben. Petra in Petra.
Eine Ouvertüre in Stein.
Mit Hunderten anderer Touristen schlenderte ich durch den Siq, dem engen, langen Zugang zum versteckten Tal, in dem Petra liegt. Störten mich die anderen? Erstaunlicherweise nicht. Denn einst waren hier sicher auch viele Menschen unterwegs gewesen, ja ganze Karawanen. Und die Felsspalte, durch die wir alle gehen mussten, zeigte ja bereits auf Schritt und Tritt wie versiert die Stein- und Wasserkünstler waren. Der knapp zwei Kilometer lange Fußweg förderte bei mir eine demütige Spannung und fühlte sich wie eine verheißungsvolle Ouvertüre an. Für das, was am Ende des schmalen Felsdurchbruches zuerst zu sehen sein würde: das berühmteste Bauwerk der antiken Stadt.
Dann gab die gewundene Schlucht wirklich und endlich den Blick frei: auf das so genannte Schatzhaus des Pharao, dessen einzige Schätze dereinst die Verstorbenen waren. Und auch nicht die eines Pharaos. Die Nabatäer hatten wirklich ein Händchen für überraschende Inszenierungen.
Die meisten Felsbauwerke sind Mausoleen. Das wusste ich zwar, doch erst vor Ort wurde mir bewusst, was das eigentlich bedeutet. Die Nabatäer behielten ihre verstorbenen Verwandten bei sich. Sie bestatteten sie ja am Rand des Talkessels. Sie lebten, liebten und wohnten umgeben von ihren Vorfahren, umgeben vom Kreise ihrer Lieben. So blieben sie nicht nur allgegenwärtig, sondern ihre prächtige letzte Ruhestätte wurde auch zur Kulisse für die Bühne des Lebens. Wie schön ist das denn?