10. Mai 2020
Seh ich was, was Du nicht siehst?
Siehst Du das Rote Riesen-Känguru über den Felsen springen? Oder die Friedenstaube im Sonnenuntergangspastell? Findest Du das Krokodil am Himmel, die Wirbelsäule auf Erden und das lachende Schwein? Ja? Wie schön – dann wirst Du mich bestimmt verstehen.
Ein weiter Himmel und ein paar Wolken reichen, um mich gut zu unterhalten. Denn hoch über unseren Köpfen ist häufig ganz großes Kino. Komplett in 3 D und völlig kostenlos. Da ziehen Mohrrüben (woher kommt eigentlich der Name?), Schlittschuhe, Stiefel und Schere vorüber. Da reiten Mäuse auf Kamelen und kleine Kaninchen ziehen große Gondeln. Natürlich animiert durch Wind, Licht und Schatten.
Was uns die himmlische Welt so alles zeigt, wenn man sie einfach nur betrachtet – so ganz ohne Sinn, Ziel und Erwartung – ist immer eins: unvorher-seh-bar. Es kann die Form der Wolke sein, die Lücke, die sie mit anderen Gefährtinnen bildet, oder aber der Schatten, den sie bewirkt. Auf was und wen auch immer.
Das Sichtbare, das uns umgibt, prägt unser Weltbild. Doch hat sich mein Weltbild durch reitende Mäuse oder lachende Schweine verändert? Ich weiß es nicht.
Ist immer wahr, was man wahrnimmt?
Das Wahrnehmbare braucht auf jeden Fall unser Wunderwerk Auge, ein paar Millionen Nerven und unser Gehirn. Dort entstehen aus Signalen Bilder, die mit vorhandenen Informationen, bekannten Eindrücken und gespeicherten Daten verglichen und bewertet werden – in Bruchteilen von Sekunden. Alles vor dem Fragehintergrund: Was ist das? Kenne ich das? Erinnert es mich an irgendetwas? Spannend daran: Unser Gehirn ist immer dann am aktivsten, wenn es einen Sehreiz nicht vorhersagen kann.
Nichtstuerisches Gucken auf Felswände oder in den Himmel hält daher unser Gehirn enorm auf Trab. Es kann ja nicht vorweg denken, was die Wolken gleich tun. Alleine das würde sich schon lohnen. Denn so könnten wir uns (temporär) von all unseren manipulativ-prophetischen Hirngespinsten befreien. „Ich denke, also bin ich“ philosophierte Descartes einst. Doch wer oder was bin ich, wenn ich Känguru denke, weil ich es sehe? Weit entfernt von Australien und mehrere hundert Meter hoch?
Wolken können mehr als nur Wetter machen.
Zum Glück gibt es Wolken fast überall. Zum Glück können Kaninchen über allen Kontinent-Himmeln hopsen bevor sie vom Winde verweht werden. Wolken sind mehr als feine Wassertröpfchen oder Eiskristalle. Sie können mehr als nur Wetter machen und weiter ziehen. Sie können zaubern, Geschichten erzählen und ganze Welten erschaffen.
Falls Du mich daher dabei erwischt, wie ich völlig entrückt, verzückt oder kichernd in den Himmel schaue, dann bin ich nicht gaga (glaube ich zumindest), sondern lasse mich nur auf das Sichtbare ein. Auf das, was ist. Auf eine vergängliche Momentaufnahme, die keine Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit kennt.
Doch seh' ich wirklich was, was Du nicht siehst?
Links oben sitzt ein kleiner Hund auf dessen Rücken zwei noch kleinere Bären nach hinten blicken. Rechts oben das springende Känguru. In der zweiten Reihe links ein ganz junger Lindwurm. Rechts in der rechten oberen Ecke eine Wippe, auf der zwei Gestalten sitzen. Im großen Bild Engelsflügel. Um die Bilder zu vergrößern, einfach auf das jeweilige Bild klicken.